1000 Bewohnerinnen und Bewohner, 581 Wohnungen, 24 Aufzüge: Die Sanierung der Telli in Aarau ist ein Projekt der Superlative. Dass die Arbeiten im bewohnten Zustand durchgeführt wurden, machte die Sache umso spannender.
Von Weitem erinnert das Aarauer Telli-Quartier an eine dieser anonymen und tristen Vorortssiedlungen, wie man sie aus französischen oder deutschen Grossstädten kennt. Auch die Tatsache, dass die vier Wohnblöcke im Volksmund «Staumauern» genannt werden, lässt die Lust auf einen Besuch nicht unbedingt wachsen. Umso grösser die Überraschung, wenn man die Siedlung tatsächlich betritt. Verwahrloste Plattenbauten? Ungemütliche Ecken, Schmierereien, überfüllte Müllcontainer? Alles Fehlanzeige. Das Erste, was vor Ort auffällt, sind das Zwitschern der Vögel und die fast schon idyllische Ruhe. Während man seinen Blick über die imposanten Gebäude und den grünen Tellipark schweifen lässt, weicht die anfängliche Skepsis bald einem ganz anderen Gefühl: Hier lässt es sich gut leben.
Und genau das war auch das Ziel des Architekten Hans Marti, der vor über 50 Jahren seine Vision aufs Planpapier brachte. Marti träumte von einer «grünen Stadt» mit unterirdischen Zufahrtsstrassen, Schulen, Einkaufszentrum und Gemeinschaftseinrichtungen. Als 1971 der Spatenstich zum Projekt erfolgte, sorgte das Vorhaben im ganzen Land für Aufsehen. Aus dem städtebaulichen Experiment von damals wurde eine Erfolgsgeschichte mit Strahlkraft weit über die regionalen Grenzen hinaus. Die vier Wohnbauten sind heute im schweizerischen Inventar der Kulturgüter von nationaler und regionaler Bedeutung aufgeführt und bieten ein Zuhause für rund 2500 Bewohnerinnen und Bewohner – das entspricht etwa einem Achtel der gesamten Stadtbevölkerung Aaraus.
Liegen direkt an der schönen Aare: die ikonischen Telli-Gebäude. Bild: Beat Brechbühl
Nun, gut 50 Jahre später, sorgt das Telli-Quartier erneut für Schlagzeilen. Grund dafür ist eines der grössten Renovationsprojekte des Landes. In den vergangenen drei Jahren wurden die Gebäude B und C mit insgesamt 581 Wohnungen einer umfassenden Erneuerung unterzogen. Mit einer gedämmten Fassade und neuen, dichten Fenstern wurden die Häuser an die energetischen Anforderungen der Zukunft angepasst. Die Wohnungen erhielten unter anderem eine neue Fernwärmeheizung, eine moderne Lüftung sowie einen grösseren Balkon. Zudem wurden die Aufzüge und Treppenhäuser an die aktuellen Bestimmungen bezüglich Technik, Brandschutz und Erdbebensicherheit angepasst. Obwohl also sehr vieles gemacht wurde, handelt es sich laut der Eigentümerin AXA nicht um ein Luxusprojekt. Verbessert habe man die Telli dort, wo es sinnvoll und nötig war. Oberstes Ziel war es, die Gebäude langfristig als Zuhause für die Mieterinnen und Mieter zu erhalten. Dazu gehört auch, dass die Mietpreise nur geringfügig erhöht wurden.
Die ganz grosse Herausforderung dieses Mega-Projekts: Die Arbeiten wurden im bewohnten Zustand durchgeführt. Allein in den Gebäuden B und C leben rund 1000 Menschen. «Sanieren im bewohnten Zustand heisst vor allem auch, Rücksicht auf die Bewohnerinnen und Bewohner und den Zeitplan zu nehmen», betont Anke Lochner, Bauleiterin des Unternehmens Drees & Sommer. Denn natürlich: Die Mieterinnen und Mieter müssen den Lärm und den Staub ertragen, der durch ein solches Projekt unweigerlich verursacht wird. Erschwerend kam hinzu, dass das Projekt just auf die Covid-Zeit fiel. Während also viele Leute im Homeoffice oder in der Quarantäne sassen, wurden die Bauarbeiten vor den Fenstern wie geplant fortgeführt. Viele staunten wohl nicht schlecht, als ihr alter Balkon vor ihren Augen in einem Block von der Fassade geschnitten und abtransportiert wurde.
«Eine Baustelle ist immer mit Lärm und Dreck verbunden, aber mit einer guten Planung lassen sich die Emissionen deutlich reduzieren», betont Anke Lochner. Die Kommunikation mit den verschiedenen Nutzergruppen bezeichnet sie als das A und O. «Egal ob mit den Handwerkerinnen und Handwerkern, der Verwaltung oder der Bewohnerschaft: Ohne einen transparenten und regelmässigen Austausch geht es nicht.» Kommt hinzu, dass bei diesem Projekt auch das öffentliche Interesse gross war. Regelmässig besuchten Medienschaffende die Baustelle; einmal berichtete das Schweizer Fernsehen gar live aus der Telli. «Irgendwann gewöhnten wir uns an den Rummel», erzählt Lochner lachend.
Während des Umbaus bemühte sich die Bauleitung, die Bewohnerinnen und Bewohner stets auf dem aktuellen Stand zu halten. Aber nicht nur das: Auch die Mieterschaft selbst hatte die Möglichkeit, mit der Bauleitung in Kontakt zu treten – möglich machte es die App beUnity. «Dank der App hatten wir die Möglichkeit, schnell und direkt mit der Bewohnerschaft in Kontakt zu treten», erklärt Lochner. «Gleichzeitig konnten sich die Bewohnerinnen und Bewohner auch mit ihren Anliegen melden.» Ein konkretes Beispiel für den Mehrwert eines solchen Tools sind die Liftausfälle während der Treppenhaussanierung. Nicht nur konnten die Bewohnerinnen und Bewohner via App regelmässig über den bevorstehenden Liftausfall in ihrem Haus informiert werden, auch die ganze Nachbarschaftshilfe wurde via App organisiert. Wer jemanden brauchte, der den Einkauf hochtrug oder die Wäsche in die Waschküche brachte, wurde via Smartphone fündig.
Ein besonderes Projekt war die Sanierung auch für Schindler. Kein Wunder: Insgesamt wurden in den beiden sanierten Gebäuden 24 Aufzüge demontiert und mit neuen Anlagen ersetzt. «Diese Anzahl ist für ein Umbauprojekt aussergewöhnlich», sagt Projektleiter David Sangiovanni. Straff war auch der Zeitplan: «Von der Demontage über die Montage bis zur Übergabe der neuen Anlagen hatten wir teilweise lediglich sechs Wochen Zeit. Diesen Plan einzuhalten, war die grösste Herausforderung.» Erschwerend kam hinzu, dass es sich bei 17 der 24 Aufzüge um Feuerwehranlagen handelt. Diese bieten selbst im Brandfall eine gefahrlose Transportmöglichkeit für die Einsatzkräfte.
Aufgrund der besonderen Ausgangslage war David Sangiovanni regelmässig selber vor Ort, um mit seinem Team und der Bauleitung offene Punkte und Fragen zu klären. Zur Zusammenarbeit mit Anke Lochner findet Sangiovanni nur positive Worte: «Wenn alle Bauleitungen so funktionieren würden wie bei diesem Projekt, hätten wir nahezu keine Sorgen.» Ganz ähnlich tönt es auch auf Seiten der Bauleitung: «Die Zusammenarbeit mit Schindler war vorbildlich», betont Anke Lochner. Sie schätzte insbesondere die gute Kommunikation und die schnellen Reaktionszeiten.
Auch Montagechef Luca Hauller ist stolz darauf, dass fast jeder Aufzug pünktlich übergeben werden konnte. Der Mitarbeiter der Geschäftsstelle Schindler Aarau weiss: «Auch wenn sich die Begeisterung über den vorübergehenden Liftausfall bei der Mieterschaft verständlicherweise in Grenzen hielt, ist die Freude über die topmodernen Aufzüge nun umso grösser.» Von wegen triste Vorstadtsiedlung!