Building Information Modeling – kurz BIM – setzt sich langsam, aber sicher auch im Schweizer Bauwesen durch. Der Wandel von 2D-Plänen zu 3D-Modellen bringt Chancen und Herausforderungen mit sich. Und ganz nebenbei einen tiefgreifenden Kulturwandel.
BIM. Nicht selten verdrehen Fachleute im Bauwesen die Augen, wenn dieser Begriff fällt. Ein Modebegriff sei das, heisst es dann. Heisse Luft. Viel Lärm um nichts. Auf den ersten Blick ist das nachvollziehbar. Denn was soll so revolutionär sein an dieser Arbeitsmethode? 3D-Planung am Computer kennt man schliesslich schon lange. «Das stimmt», sagt Markus Weber von der Hochschule Luzern. «Der entscheidende Punkt ist, dass uns BIM weg von unstrukturierten Daten und hin zu strukturierten Informationen führt.» Weber weiss, wovon er spricht. Er ist Präsident des Interessenverbands «Bauen digital Schweiz» und gilt als ausgewiesener Experte für das digitale Bauen im Allgemeinen und BIM im Speziellen. «Die Digitalisierung hat zu einer inflationären Vermehrung von Daten geführt», erläutert Weber. «BIM ist die Grundlage dafür, dass wir uns in diesem Dschungel zurechtfinden und die Daten sauber erfassen und sinnvoll nutzen können.»
Im Zentrum jedes BIM-Bauprojekts steht der «digitale Zwilling», ein dreidimensionales Abbild des Gebäudes. «Dieses Modell besteht aus Tausenden Objekten, die mit Daten angereichert sind», erklärt Weber. «Jede Wand, jedes Fenster, jede Steckdose ist ein separates Objekt.»
Und weil BIM sicherstellt, dass die Daten einheitlich erfasst werden und austauschbar sind, entsteht strukturierte Information. Das wiederum ermöglicht eine bessere Kommunikation und Kollaboration zwischen den vielen Akteurinnen und Akteuren, die an der Planung, am Bau und am Betrieb eines Gebäudes beteiligt sind. Konflikte und Kollisionen, die erst während des Baus aufgetreten wären und mit viel Aufwand hätten behoben werden müssen, können dank BIM frühzeitig erkannt und vermieden werden. Nachgelagerte Prozesse, etwa das Facility Management, werden schon in der Planung abgebildet und simuliert. «BIM sorgt für eine durchgängige, datenbasierte Vernetzung aller Akteurinnen und Akteure in der Wertschöpfungskette», so Weber.
BIM sorgt für eine durchgängige, datenbasierte Vernetzung aller Akteurinnen und Akteure in der Wertschöpfungskette.
Schindler-Expertin Anna Merkler sieht das genauso. «Erst wenn sich alle Akteurinnen und Akteure aus Planung, Bau und Betrieb an einen Tisch setzen und gemeinsam entscheiden, wer welche Informationen wie ins Projekt einbringen kann, entstehen Vorteile für alle.» Schindler hat deshalb dynamische BIM-Modelle für alle standardisierten Aufzugstypen entwickelt, die je nach Informationsbedarf des digitalen Zwillings individuell angepasst werden können. «BIM setzt voraus, dass wir im Bauwesen vom Gärtchendenken wegkommen», sagt Merkler. «Je früher man sich austauscht und Informationen gegenseitig transparent macht, desto besser wird das Resultat.» Als Vorzeigeprojekt nennt sie den Neubau des Kaffeemaschinenherstellers Thermoplan. «Hier wurde von Anfang an konsequent auf BIM gesetzt. Das ist zunächst ein Mehraufwand. Aber im Projektverlauf merkt man schnell, dass es sich lohnt.»
Für die beteiligten Unternehmen ist das nicht immer einfach. «Für alle Akteurinnen und Akteure in der Wertschöpfungskette bedeutet BIM, dass sie plötzlich Teil eines grossen Ganzen sind und sich für die Arbeit jenseits der Schnittstellen des eigenen Königreichs interessieren müssen», sagt Markus Weber. Solche Veränderungen wirken immer auch nach innen. «Die Unternehmen müssen ihre Organisation und ihre Prozesse kritisch betrachten und nötigenfalls anpassen. Die grösste Herausforderung ist nicht die Technologie, es sind die Menschen.»
Vielleicht ist das mit ein Grund für die eingangs beschriebene Skepsis vieler Fachleute in Bezug auf BIM: Es zwingt zur Veränderung. Und mit der Veränderungsbereitschaft ist es im Bausektor nicht weit her. «Die Bauwirtschaft verzeichnete in den letzten 50 Jahren kaum Produktivitätsgewinne», sagt Markus Weber. Die Arbeitsmethoden würden mit der steigenden Komplexität nicht Schritt halten. Auch deshalb brauche es BIM. «Aber es ist klar: Die Digitalisierung wird das Gefüge innerhalb der Wertschöpfungskette grundlegend verändern. Die Schnittstellen verschieben sich, die Rollen ändern sich. Es wird Gewinner und Verlierer dieser Entwicklung geben.»
Auch deshalb sagt Anna Merkler von Schindler: «Der wichtigste Gedanke rund um BIM ist: Wir müssen es einfach tun. Wir kommen nicht weiter, wenn wir uns an den alten Arbeitsmethoden und Prozessen festklammern. Ich schreibe schliesslich auch nicht zu jedem E-Mail sicherheitshalber noch einen handschriftlichen Brief. Wir müssen loslassen und uns auf das Abenteuer einlassen.»
BIM ist eine Methode zur digitalen Abbildung von Bauwerken und Anlagen. Dabei wird ein mehrdimensionales digitales Abbild des Bauwerks, ein sogenannter digitaler Zwilling, erstellt, in das sämtliche Informationen und Daten zur Planung, zum Bau und zum Betrieb des Bauwerks zusammengeführt werden. Durch den Einsatz von BIM können alle am Bauprozess beteiligten Parteien in Echtzeit auf die gleichen Informationen zugreifen, was die Zusammenarbeit und Koordination zwischen Planerinnen, Bauherren, Baufirmen und Betreibern vereinfacht. In Zukunft sollen weitere Dimensionen hinzukommen. So ist es möglich, im digitalen Zwilling auch die zeitlichen Abläufe im Baumanagement zu planen und zu überwachen (4D) sowie die Kosten abzubilden (5D). BIM gilt deshalb als Schlüsseltechnologie, mit der es der Baubranche gelingen soll, die steigenden Anforderungen an Nachhaltigkeit, Effizienz und Qualität zu erfüllen.