Obwohl Schindler global tätig ist, bleibt die Schweiz für den Konzern der wichtigste Bezugspunkt. Schweiz-Chef Patrick Hess über Schindler-Jassclubs, Aufzüge auf Berggipfeln und weitere Besonderheiten des Liftlands Schweiz.
(lacht) Das werde ich häufig gefragt. Oft steckt dahinter die Vermutung, dass dem nicht so ist...
Genau. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Die Schweiz ist ein unglaubliches Liftland. Bei uns kommen auf 1000 Einwohnende rund 31 Aufzüge, das ist ein absoluter Spitzenwert. Entsprechend wichtig ist die Schweiz für Schindler.
Das liegt daran, dass in der Schweiz rund 70 Prozent der Menschen Mieterinnen und Mieter sind, und dass man bei uns auch in Wohnhäusern in mehreren Stockwerken übereinander wohnt. Sobald ein Haus in der Schweiz mehr als drei Etagen hat, wird heutzutage ein Lift verbaut. Unsere Anlagen befinden sich denn auch zu rund 80 Prozent in Wohnhäusern, nur ein Fünftel ist in Geschäftshäusern oder Industriebauten installiert. Im Ausland ist das Verhältnis oft genau umgekehrt.
Es werden nach wie vor verschiedene Komponenten für den europäischen und teils für den Weltmarkt in der Schweiz produziert – in Locarno etwa Steuerungen, hier in Ebikon Spezialanfertigungen für das Hochleistungssegment. Die Schweiz geniesst in jeder Hinsicht einen hohen Stellenwert. Obwohl Schindler heute ein global tätiges Unternehmen mit mehr als 100 Ländergesellschaften ist, bleibt die Schweiz unser Zuhause, unsere Heimat – organisatorisch und emotional.
Ein Vorzeigeobjekt sind sicherlich unsere mit modernster Steuerungstechnologie ausgerüsteten Highspeed-Aufzüge in den Roche-Türmen in Basel, den höchsten Gebäuden der Schweiz. Mein persönlicher Favorit ist aber der Bürgenstock, wo wir im vor ein paar Jahren eröffneten Resort sehr schöne Anlagen installieren durften. Dann ein kurzer Fussmarsch zum Hammetschwand-Lift, der an der Felswand über dem Vierwaldstättersee mehr als 150 Meter in die Höhe führt – ebenfalls ein Schindler-Lift.
Darauf sind wir tatsächlich sehr stolz. In den Schweizer Bergen befinden sich Hunderte Anlagen, die nicht mit dem Auto erreichbar sind. Unsere Lifte und Fahrtreppen finden sich auf vielen ikonischen Gipfeln der Schweiz, vom Titlis über das Schilthorn bis zur Testa Grigia. Bei diesen Projekten ist die Kompetenz unserer Mitarbeitenden und die Qualität ihrer Arbeit umso entscheidender.
Neben dem grossen Modernisierungsbedarf der vielen Anlagen in der Schweiz fordert uns vor allem der Fachkräftemangel. Für unseren Qualitätsanspruch ist es essenziell, dass wir über bestens ausgebildete Fachkräfte verfügen.
Wir haben das Problem glücklicherweise schon vor Jahren erkannt und viel in die Berufsbildung investiert. Heute machen mehr als 300 Lernende in über zehn verschiedenen Berufen ihre Ausbildung bei Schindler in der Schweiz. Rund 200 Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger kommen jährlich über unser Lift Camp dazu, in dem wir Aufzugs-Fachleute ausbilden. Wir wirken dem Fachkräftemangel also primär damit entgegen, dass wir unsere Spezialistinnen und Spezialisten selbst ausbilden.
Wir setzen auf die Sinnhaftigkeit unserer Arbeit. Schindler bewegt tagtäglich zwei Milliarden Menschen auf der ganzen Welt und sorgt damit für Mobilität und Lebensqualität – darauf kann man stolz sein. Unsere Mitarbeitenden fühlen sich oft persönlich verantwortlich, wenn es um «ihren Lift» oder «ihre Fahrtreppe» geht, das ist im Zusammenhang mit einem Qualitätsprodukt eine schöne Form von Identifikation. In vielen unserer technischen Berufe verfügen die Mitarbeitenden zudem über ein hohes Mass an Freiheit und Eigenverantwortung, und sie kommen viel mit anderen Menschen in Kontakt. Auch das sind gute Argumente. Tatsächlich gibt es bei Schindler viele sehr langjährige Mitarbeitende.
Das ist tatsächlich eindrücklich. Es gibt den Schindler-Sportclub mit zahlreichen Sektionen, etwa Wandergruppen oder einen Jassclub. Viele Mitarbeitende identifizieren sich auch in der Freizeit mit unserem Unternehmen. Das ist in der heutigen Zeit keine Selbstverständlichkeit. Ich denke, das hat mit der erwähnten Sinnhaftigkeit unserer Arbeit zu tun, aber auch mit der Marke Schindler, die seit 150 Jahren für Qualität und Sicherheit steht. Viele Menschen haben schon seit der Kindheit einen emotionalen Bezug zu unserer Marke und freuen sich, wenn sie irgendwo auf der Welt mit einem Schindler-Aufzug oder einer Schindler-Rolltreppe fahren. Wir achten als Arbeitgeber stark darauf, Sorge zu diesem Erbe zu tragen, indem wir grossen Wert auf die Arbeitsbedingungen und die Zufriedenheit unserer Mitarbeitenden legen.
Ich empfinde es als grosses Privileg und bin dankbar, dass ich diese Verantwortung wahrnehmen darf.
(lacht) Ein Stück weit schon, ja. Ich denke sehr strukturiert und vernetzt. Aber mich haben schon immer die Menschen und die Geschäftsabläufe noch stärker interessiert, die hinter den Zahlen stecken. Für mich zählt nicht nur das Ergebnis, also die Zahl, die am Ende resultiert, sondern auch die Art und Weise, wie es zustande kommt. Welche Leistungen welche Mitarbeitenden erbringen beispielsweise oder die Ressourcen, die investiert werden, um das Ziel zu erreichen.
Mit einem guten Gefühl. Globale Megatrends wie die Urbanisierung und die Digitalisierungtreiben unser Geschäft an und fordern uns heraus. Wir wollen die Vernetzung unserer Produkte vorantreiben und die Schnittstellen zu unserer Kundschaft weiterentwickeln. Und ganz zentral: Im Bereich der Nachhaltigkeit wollen wir führend sein.
Global haben wir uns das Ziel gesetzt, unsere Treibhausgasemissionen bis 2030 zu halbieren und bis 2040 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Da sind wir auf gutem Weg. Wir arbeiten schon seit Jahrzehnten daran, die Energieeffizienz unserer Anlagen laufend zu verbessern. Dank der sogenannten Rekuperation können Aufzüge heute auch Strom produzieren, wenn sie leer hoch- oder voll beladen hinunterfahren. Ein Schindler-Lift in einem durchschnittlichen Mehrfamilienhaus mit acht Wohnungen verbraucht heute bei rund 1000 Fahrten in der Woche etwa 10 Kilowattstunden Strom. Das ist vergleichbar mit einem Elektrofahrzeug, das von Luzern nach Zürich fährt.
Auch hier haben wir das klare Ziel, bis 2030 fast die gesamte Fahrzeugflotte zu elektrifizieren. Bei der Mobilität geht es aber in erster Linie darum, unnötige Fahrten zu vermeiden. Damit sparen wir am meisten Energie ein.
Wir machen beispielsweise «Innight»-Materiallieferungen in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Post. Dabei wird das Material, das unsere Service- und Montagefachkräfte benötigen, über Nacht CO2-neutral direkt ins Fahrzeug geliefert, sodass die morgendliche Fahrt ins Materiallager entfällt. Dank smarter Vernetzung der Anlagen verfügen die Mitarbeitenden zudem immer öfter über alle relevanten Informationen aus unserem Technical Operations Center, bevor sie sich auf den Weg zu unseren Kundinnen und Kunden machen. Auch das reduziert unnötige Fahrten. Diese Entwicklung wird sich mit Big Data und künstlicher Intelligenz noch beschleunigen.
(lacht) Über unser Geschäft im Jahr 2174 kann ich nur spekulieren. Aber ich kann versprechen, dass Schindler auch in Zukunft für Qualität und Sicherheit einstehen wird. Wir werden in die Menschen und ihre Ausbildung investieren, um die besten Fachleute zu beschäftigen. Dadurch werden wir auch in Zukunft jederzeit mit innovativen und nachhaltigen Lösungen für unsere Kundinnen und Kunden da sein.
Unsere Mitarbeitenden fühlen sich oft persönlich verantwortlich, wenn es um «ihren Lift» oder «ihre Fahrtreppe» geht.
Patrick Hess 46, ist Chef von 2800 Angestellten und 300 Lernenden. In Kontakt mit Schindler kam Hess bereits als Schüler: Während der Kantonsschule Alpenquai hat er eine Arbeit über Schindler geschrieben. Nach seinem Studium in Betriebswirtschaft stieg er 2001 als Financial Controller beim Liftbauer ein. 2009–2012 ging er mit seiner Familie nach England, wo er Finanzchef von Schindler UK war. Nach seiner Rückkehr leitete er als Geschäftsführer die Region Bern. 2014 wurde Hess Finanzchef von Schindler Schweiz. Seit 2018 hat er den CEO-Posten von Schindler Schweiz inne. Patrick Hess ist verheiratet und hat zwei Söhne.