Ob Schindler auch in 150 Jahren noch Aufzüge und Fahrtreppen herstellt? Niemand weiss es. Betrachtet man die gegenwärtigen Megatrends, sind die Produkte und deren Nutzenversprechen durchaus zukunftsfähig. Die grossen Veränderungen finden ausserhalb der Aufzugskabine statt.
In den vergangenen 150 Jahren hat sich Schindler vom lokalen Hersteller für landwirtschaftliche Maschinen zum globalen Anbieter von Mobilitätslösungen entwickelt. Eine eindrückliche Transformation, die es anlässlich des runden Geburtstags zu würdigen gilt. Ein Jubiläum ist aber immer auch eine Gelegenheit, nicht nur die Vergangenheit zu betrachten, sondern auch einen Blick in die Zukunft zu wagen. Natürlich kann niemand mit Sicherheit sagen, auf welchen Wegen sich Schindler ins 22. Jahrhundert bewegen wird. Und doch gibt es Veränderungen, die schon heute absehbar sind.
«Um das Kerngeschäft braucht man sich vor diesem Hintergrund keine grossen Sorgen zu machen», sagt Anna Merkler, die bei Schindler die Digitalisierung operativer Prozesse vorantreibt. «In einer Welt mit immer mehr immer älteren Menschen, die immer häufiger in Städten wohnen, braucht es immer mehr zugänglichen Wohnraum – und damit immer mehr Aufzüge und Fahrtreppen.»
In technischer Hinsicht werde sich deshalb aber kaum etwas fundamental verändern, glaubt Merkler – zu bestechend sei das System. Unter anderem deshalb herrsche in der Aufzugsbranche ein ganz anderer Innovationsdruck als beispielsweise in der Automobilindustrie, die in den letzten Jahren auf komplett neue Antriebstechnologien umstellen musste.
Daraus zu schliessen, Schindler könne in den kommenden 150 Jahren ganz einfach weitermachen wie bisher, wäre indes komplett falsch. «Was sich in Zukunft fundamental verändern wird, sind die Prozesse, die rund um unsere Produkte herum ablaufen », sagt Merkler. Auch hier sind globale Megatrends die treibenden Kräfte, allen voran die Digitalisierung und das wachsende Bedürfnis nach Nachhaltigkeit auch im Bau und im Betrieb von Gebäuden.
«Die Digitalisierung hat dazu geführt, dass sich die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteurinnen und Akteure eines Bauprojekts intensiviert und verbessert hat.» Dank moderner Technologien können neue Methoden wie Building Information Modeling (BIM) produktiv eingesetzt werden. Schindler hat dynamische BIM-Modelle für alle Aufzugstypen entwickelt, die je nach Informationsbedarf individuell angepasst werden können.
Für die Industrie ist das ein Paradigmenwechsel. Das digitale Bauen führt dazu, dass alle Akteurinnen und Akteure plötzlich Teil eines grossen Ganzen sind und sich auch für die Arbeit jenseits der Schnittstellen des eigenen Spezialbereichs interessieren müssen. «Je früher man sich austauscht und Informationen gegenseitig transparent macht, desto besser wird das Resultat», sagt Merkler.
Kooperation und Konnektivität sind also gefragt. Mit der PORT-Technologie erkannte Schindler schon vor Jahren ein steigendes Bedürfnis nach der Verknüpfung horizontaler und vertikaler Mobilität und nach einer intelligenten Steuerung der Personenflüsse. In Flughäfen, Bahnhöfen oder Hotels sind heute Systeme gefragt, die nahtlos miteinander kommunizieren können und urbane Mobilität als lebendigen Organismus verstehen, dessen Ansprüche sich laufend verändern.
Als Reaktion auf diese Veränderung hat Schindler 2021 das CoLab ins Leben gerufen, eine dynamische Plattform für das Schnittstellenmanagement zwischen allen internen und externen Anspruchsgruppen eines Schindler-Produkts. Denn die Anzahl solcher Schnittstellen nimmt im Zeitalter der Industrie 4.0 exponentiell zu: In Spitälern sind Serviceroboter auf den Gängen unterwegs, in Geschäftshäusern werden Anlagen cloudbasiert in Building Management Systemen (BMS) überwacht, im öffentlichen und privaten Raum werden Personenflüsse ferndiagnostisch gesteuert.
«In solchen Systemen müssen Informationen in Form von Daten in beide Richtungen fliessen können», erklärt René Walz, der Leiter des CoLab-Projekts bei Schindler. «Ein autonomer Serviceroboter in einem Hotelhochhaus erfährt so beispielsweise, welcher von mehreren Aufzügen für eine bestimmte Fahrt optimal ist. Gleichzeitig verfügen die Servicetechnikteams von Schindler dank dieser Systeme über aktuelle und relevante Informationen aus dem Gebäude, um Wartungsaufträge effizient abwickeln zu können.»
«Mittlerweile sind ein relevanter Teil unserer Anlagen digital verbunden», sagt Gregor Gander, Leiter Technical Operations Center. «Früher musste ein Servicetechniker zuerst physisch vorbeigehen, um herauszufinden, welches Problem vorliegt und wie es behoben werden kann. Heute könne man dank Ferndiagnose Fahrten einsparen und viel effizienter und kundenorientierter arbeiten. «Das ist nicht zuletzt aus Gründen der Nachhaltigkeit eine notwendige Veränderung», so Gander.
Die Zukunft von Schindler dürfte also zumindest in absehbarer Zeit weniger von futuristischen Produktentwicklungen geprägt sein, sondern von der Frage, wie im Zusammenspiel mit Kundinnen und Kunden, externen Dienstleistenden und Mitarbeitenden die Kollaboration gestärkt und die Konnektivität verbessert werden können – zum Wohle von Mensch und Umwelt.