In der Aufzugsindustrie kennt man Lee E. Gray von der University of North Carolina als «Elevator Guy» – als Mann, der seine akademische Forschung dem Personenlift gewidmet hat. Für ihn ist das Benutzen eines Aufzugs vor allem eines: Magie.
Es begann mit einer Arbeit im Studium, in der ich mich spontan mit der Geschichte des Aufzugs befasste. Das Thema machte mir so viel Spass, dass ich später dazu dissertierte und auch ein Buch über die Entwicklung des Personenaufzugs im 19. Jahrhundert schrieb.
Einerseits die technischen Aspekte, also die Frage, wie ein Aufzug funktioniert und wie sich dieses Transportmittel im Laufe der Zeit weiterentwickelt hat. Andererseits aber auch die Menschen, die es erfunden und immer wieder revolutioniert haben. Und natürlich interessierten mich die soziokulturellen Aspekte des Themas.
Genau. Ich stellte in meinen Recherchen erstaunt fest, dass der Aufzug schneller als jedes andere Element der Gebäudetechnik eine grosse kulturelle Präsenz einnahm. Kaum erfunden, tauchten Aufzüge in Kinderbüchern, Gedichten und Liedern auf. Und später natürlich in Filmen.
Ich denke, dass die Menschen zum einen von der Technologie an sich fasziniert waren. Der Aufzug gehörte in eine ganze Reihe von Erfindungen dieser Zeit, die das Leben einfacher und komfortabler machten. Beim Aufzug kam hinzu, dass er einen sozialen Raum darstellte. Aber keinen, wie ihn die Menschen schon kannten und wussten, wie sie sich darin zu verhalten hatten.
In den meisten sozialen Räumen wissen wir instinktiv, wie wir uns bewegen müssen. Im Aufzug ist das anders. Für einen sozialen Raum ist er ungewöhnlich klein.
Vielen Menschen in unserem Kulturkreis ist das unangenehm, ja. Bei uns ist es eine soziale Norm, einen gewissen Abstand zu anderen Menschen zu halten, um ihnen wortwörtlich nicht zu nahe zu treten. Im Aufzug ist das nicht immer möglich.
Interessant ist ja, dass uns diese Nähe andernorts überhaupt nicht stört. In einer U-Bahn stehen wir oft so nahe beieinander, dass wir uns berühren, aber dort scheint das normal. Das liegt wohl daran, dass die U-Bahn Fenster hat und sich horizontal bewegt. Der Aufzug hingegen bewegt sich vertikal, und wir sehen nicht, wohin er uns führt. Das hat etwas Beängstigendes, aber auch etwas Magisches.
Absolut. Die Türen öffnen sich, und da erscheint dieser Raum. Und auf Knopfdruck verschwindet er und taucht an einem anderen Ort wieder auf, mit anderen Menschen darin.
Ja, ich finde es wunderbar. Ich bin natürlich stets damit beschäftigt, herauszufinden, welches Modell von welchem Hersteller mit welchem Baujahr mich gerade trägt, aber ich geniesse es auch.
Das stimmt leider. In der Mitte des 19. Jahrhunderts war das ganz anders. Es war ein besonderes Erlebnis, mit dem Aufzug zu fahren. Deshalb gab es in Aufzügen aus dieser Zeit auch Sitzbänke und einen Kronleuchter. Es ging um Komfort, nicht um Geschwindigkeit. Das Bedürfnis, möglichst schnell in die oberen Geschosse eines Gebäudes zu gelangen, entstand erst mit dem Bau der ersten Bürogebäude in den 1870er-Jahren.
Man kann es auch umgekehrt sehen: Der Wunsch, Wolkenkratzer zu bauen, machte erst den modernen Personenlift möglich. Interessant ist ja, dass in den USA schon zur Jahrhundertwende Hochhäuser gebaut wurden, während es in vielen europäischen Grossstädten bis nach dem Zweiten Weltkrieg fast nur niedrige Gebäude gab. Deshalb war die Entwicklung des elektrischen Personenaufzugs ein amerikanisches Unterfangen.
Heute sind Geschwindigkeit und Effizienz ein Muss.
Verständlicherweise, ja. Und aus ökologischer Sicht macht es auch Sinn, das Aufzugfahren zu optimieren. Gleichzeitig finde ich es schade, dass uns damit auch ein gewisses Mass an Selbstbestimmung abhandenkommt. In vielen Aufzügen kann ich nicht einmal mehr einen Knopf drücken, um an mein Ziel zu gelangen. Das ist zwar praktisch, aber es macht das Aufzugfahren weniger überraschend, weniger interessant. Denn im Aufzug spielt immer auch der Zufall mit. Die Türen öffnen sich an einem ungewohnten Ort oder man trifft auf jemanden, den man nicht erwartet hätte. Das ist Teil der Magie, die ich erwähnt habe.
Verraten Sie uns noch Ihre beste Liftgeschichte?
(lacht) Das werde ich oft gefragt, aber ehrlicherweise habe ich keine.
Wie wäre es mit einer Lieblings-Filmszene, in der ein Aufzug vorkommt?
Oh, da gibt es viele. Ich habe eine ganze Sammlung mit Filmen, in denen Aufzüge eine prominente Rolle spielen. In «Things to Come» etwa gibt es eine Szene, in der drei Wissenschaftler in einem wunderschönen Lift, einer Art zylindrischer Glaskapsel, zu einer gigantischen Rakete hinauffahren. Und auch der gläserne Aufzug in «Charlie and the Chocolate Factory» ist natürlich ein Highlight.
Mit welchem Aufzug sollte man einmal gefahren sein?
Auch da gibt es einige. Vor allem Panoramalifte sind toll, etwa jene am Eiffelturm. Ich persönlich finde die Fahrt zur Spitze des Gateway Arch in St. Louis besonders imposant – ein einzigartiges kinetisches Erlebnis.
Im 19. Jahrhundert waren Personenlifte in luxuriösen Hotels und Kaufhäusern eine Attraktion. Es war ein Erlebnis, mit dem Aufzug zu fahren.
Dr. Lee E. Gray ist Professor für Architekturgeschichte am College of Arts & Architecture der Universität North Carolina in Charlotte, USA. Er hat Bücher und unzählige Artikel über die Entstehungsgeschichte des Personenaufzugs geschrieben, vor allem für das renommierte Magazin «Elevator World».