Als Reto Pleisch 1971 zur Welt kommt, ist diese grösstenteils analog. Doch die Digitalisierungswelle erfasst ihn, noch bevor er seine Lehre abgeschlossen hat. Während über 30 Jahren bei Schindler hält er mit einer Entwicklung Schritt, die ihn zwar immer wieder fordert, aber auch weiterbringt.
Grundriss, Aufriss, Seitenriss. Darum geht es. Es ist das, was vom Prinzip her bis heute geblieben ist», sagt Reto Pleisch. «Ansonsten hat sich mein Beruf völlig verändert. Er heisst nicht einmal mehr so wie damals.»
«Damals» war in den 1980er-Jahren, und der Beruf hiess Maschinenzeichner, was heutigen Konstrukteurinnen und Konstrukteuren entspricht. Maschinenzeichner standen am Reissbrett und arbeiteten mit Bleistift und Lineal beim Entwerfen oder mit Tinte beim Reinzeichnen. Saubere Dispopläne abzuliefern, war Ehrensache und gehört bis heute zum Berufsstolz. Doch das kostete Zeit. «Zu 90 Prozent waren wir tatsächlich am Zeichnen», erinnert sich Reto Pleisch. Heute sind es vielleicht noch 30 Prozent. Während der übrigen Zeit sind wir technische Kaufleute und beschäftigen uns mit Offerten und Engineering.»
Als Reto Pleisch den Beruf des Maschinenzeichners lernte, war seine Welt zwar noch grossenteils analog, aber bereits im Umbruch. Ein Computer pro Abteilung war zwar das höchste der Gefühle, doch schon die Hälfte seines Jahrgangs schloss die Lehre mit einem elektronischen 2D-Zeichnungstool ab und nicht mehr am Reissbrett. Nur ein Jahr später waren es 100 Prozent.
Diese rasante Digitalisierung, sagt Reto Pleisch, erinnere ihn an Building Information Modeling (BIM), das sich innerhalb weniger Jahre etabliert habe. «Bei fast jedem zweiten Schindler-Projekt wird heute bereits BIM gefordert, öffentliche Ausschreibungen werden oftmals so bearbeitet.» Es klingt, als lägen zwischen seiner Ausbildung und heute Generationen, dabei sind es gerade mal 30 Jahre.
Reto Pleisch kommt 1971 in Luzern zur Welt. Er ist definitiv kein Digital Native, aber exakt in jenem Jahr wird das erste E-Mail versendet. Ein Jahr später wird die erste richtige Digitalkamera entwickelt, und Xerox lanciert den ersten Laserdrucker. 1973 baut Motorola den ersten Prototypen eines Mobiltelefons. Als Reto 6 Jahre alt ist, bringt Apple den ersten industriell hergestellten Mac auf den Markt. Es ist gewissermassen der Urknall der Digitalisierung des Alltags für alle.
Reto Pleisch wächst zusammen mit zwei älteren Schwestern in der Stadt Luzern auf, wo er auch die Sekundarschule besucht. Weil ihn das Prinzip von «Grundriss, Aufriss, Seitenriss», das er vom technischen Zeichnen in der Schule her kennt, fasziniert, macht er eine Schnupperlehre bei Schindler. Sein Vater, der damals in der Elektrobranche arbeitet, ist überrascht vom Entscheid seines Sohnes: «Ich hatte nämlich keine Ahnung, worum es in diesem Beruf eigentlich ging», erinnert er sich.
Nach seiner Ausbildung zum Maschinenzeichner bei Schindler bekommt Reto Pleisch in der Geschäftsstelle Aarau eine Anstellung. Er beginnt, wie zu jener Zeit noch üblich, am Brett, wechselt nach eineinhalb Jahren aber die Abteilung, um künftig digital arbeiten zu können. «Für mich war klar, dass dies die Zukunft ist», erinnert er sich. Während 30 Jahren bei Schindler realisiert er unzählige Projekte, von denen er sich an einige besonders gerne erinnert: an die Glasaufzüge im Sihlcity, an den UVEK-Campus oder das Dolder Grand etwa, an den spektakulären Panoramalift auf der Melchsee-Frutt und natürlich an die beiden einzigartigen, runden Panoramaaufzüge im Herzen des Bundeshauses in Bern.
Die Digitalisierung hält ihn während dieser Zeit auf Trab. Und überrascht ihn auch immer wieder. So arbeitet er heute in einem vollständig papierlosen Büro. «Das hätten wir noch vor sechs, sieben Jahren nicht für möglich gehalten», gesteht er. Doch die Digitalisierung des Büroalltags kam genau im richtigen Moment. Während der Pandemie war es für seine Abteilung kein Problem, ins Homeoffice zu wechseln. Einfach den Laptop einpacken – und schon war das ganze Büro gezügelt.
Als vor drei Jahren BIM zum Thema wurde, schloss er sich freiwillig dem ersten Team an, das sich bei Schindler damit beschäftigte. «Ich musste mich da ganz schön reinknien», erinnert er sich, «und hatte auch einen gewissen Respekt vor der Herausforderung.» Doch Herausforderungen war sich der damals fast 50-Jährige gewöhnt. Denn das Tempo, mit der sich die Digitalisierung gerade in seinem Bereich entwickelt, war schon immer atemberaubend. «Manchmal frage ich mich, wo uns die digitale Reise wohl hinführen wird», sagt er nachdenklich. Er habe zwar keine Angst vor der Zukunft – aber auch keine Ahnung, wie sich diese in seinem Job gestalte. Nur so viel steht für ihn fest: Es gibt keine Grenzen. «Alles ist möglich.»
Nun hat Reto Pleisch das erste BIM-Projekt innerhalb eines Grossauftrags abgeschlossen. Erfolgreich, wie er sagt, aber nicht ohne Hürden. «Man merkt, dass BIM noch in den Kinderschuhen steckt, auch wenn die Vorteile nicht wegzudiskutieren sind.» So würden die Visualisierungen superschön aussehen und die Bewirtschaftung für die Endkundinnen und Endkunden sei viel einfacher. Dazu brauche es aber noch einiges an Mehraufwand bei den «As built»-Modellanpassungen. Als grösste Herausforderung habe sich für ihn aber die Kommunikation herausgestellt. Denn wo viele Parteien in einem Projekt verlinkt sind, herrscht auch viel Kommunikationsbedarf.
Bei so viel Digitalisierung im Job ist es nur verständlich, dass Reto Pleisch seine Freizeit schon immer gerne analog gestaltete. Er spielt in verschiedenen Formationen Trompete und ist auch als Alphornbläser unterwegs, vorzugsweise mit seinem Trio Drüüklang. Seit neustem hat Familie Pleisch einen Hund, der für viel Leben und Bewegung sorgt. Und als leidenschaftlicher Eishockeytorhüter «im Ruhestand» besucht er gerne die Spiele seiner Lieblingsmannschaft, dem HC Davos. Dass er selber nicht mehr im Tor steht, liegt daran, dass sein Körper nicht mehr so ganz mitmacht. «Die Hüften», sagt er achselzuckend. Analoges kann manchmal eben auch echte Schmerzen verursachen.